So stell’ ich mir die Liebe vor: Y’akoto

vor 6 years

Selbstliebe und Selbsterhalt, sind Vorraussetzungen für eine funktionierende Partnerschaft. Die 28-Jährige Soul-Sängerin Y’akoto verrät uns im Interview, warum es in der Liebe wichtig ist, auch auf sich selbst zu achten.

Für unsere Rubrik „So stell’ ich mir die Liebe vor“ hast du die Fotografie „Nuit de Noël“ von Malick Sidibé mitgebracht. Wie würdest du das Gefühl beschreiben, das du beim Betrachten des Bildes empfindest?
Zum ersten Mal habe ich das Foto in einer Ausstellung in Paris gesehen. Ich kann mich noch genau daran erinnern, dass ich sehr lange vor diesem Bild stand und immer wieder dieses Pärchen angeschaut habe. Besonders fasziniert mich an dem Bild, dass sie sich Kopf an Kopf gegenüberstehen. Diese Art zu tanzen finde ich sehr interessant und inspirierend. Man hat den Eindruck, dass sich die beiden geistig miteinander verbunden fühlen und Spaß miteinander haben. Als ich das Bild gesehen habe, dachte ich sofort: Die beiden müssen sich lieben, ganz gleich ob es nun eine freundschaftliche, geschwisterliche oder gar  romantische Liebe ist.

Das Foto ist an Weihnachten 1963 entstanden, einer Zeit des politischen und kulturellen Umbruchs in Mali, der Heimat des Fotografen. Sidibé beschreibt das Bild mit den Worten: „Wir starteten in eine neue Ära und die Musik befreite uns.“ Das Bild repräsentiert ein besonderes Lebensgefühl. Wie würdest du die Dynamik zwischen dem jungen Paar beschreiben?
Ebenjene Freiheitsdynamik, von der Sidibé spricht, spüre ich total. Wenn ich Texte schreibe, gibt es auch immer diese eine Frage, die mich bewegt: Was bleibt, wenn alles in Trümmern liegt? Ich komme immer wieder zu dem einen Ergebnis: Wir, die Menschen, bleiben. Kultur kann man nicht ausblenden oder gar auslöschen, auch nicht wenn man sie kolonialisiert, wie es in Mali der Fall war. Die Kultur wird immer bleiben. Das strahlt das Bild natürlich auch aus.

Wenn wir über Liebe reden, ist es interessant über die persönliche Entwicklung zu sprechen, die wohl jeder von uns in einer Beziehung erlebt. Wie denkst du wirkt sich die Liebe auf die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit aus?
Als Mensch durchläuft man verschiedene Phasen. Ich habe mich mit 16 Jahren ganz anders verliebt als mit 26. Diese verschiedenen Lebensphasen, die wir durchlaufen, beeinflussen ganz stark die Bedeutung von Liebe für die eigene Persönlichkeit. Es ist eine Entwicklung von kopflos zu kopflastig. Genau das habe auch ich durchlebt. Dadurch, dass ich durch die verschiedenen Lebensphasen immer wieder einen anderen Blickwinkel auf mich selbst gewinnen konnte, entwickle ich mich als Mensch auch weiter.

Kann Liebe einen Menschen in seiner eigenen Entwicklung zurückhalten oder sogar blockieren?

Selbstreflektierend, aber auch wenn ich junge Frauen treffe, versuche ich immer folgenden Rat geben: „Versuch’ erst einmal etwas zu machen, das mit dir selbst zu tun hat. Erfahre die Liebe, die nur aus dir selbst gewachsen ist und mir dir selbst zu tun hat. Versuch’ dich zu fragen: Was bringe ich eigentlich mit? Was kann ich geben? Und damit meine ich nicht, was ich einem Mann, sondern mir selbst geben kann.“

Das ist etwas, was für mich immer eine große Rolle gespielt hat. Ich habe immer gewusst, dass Musik etwas ist, was ich nicht nebenbei machen kann, sondern etwas, das sehr viel Energie erfordert. Ich wünschte, ich hätte öfter Partner gefunden, die genau das unterstützt hätten. Aber aus solchen Erfahrungen lernt man als junge Frau. Coco Chanel hat mal gesagt: „There is time for work and there is time for love and that leaves no other time.“ Das ist jetzt vielleicht etwas extrem, aber eben das habe ich eigentlich auch über all die Jahre hinweg erfahren. Es ist wichtig selbstbewusst genug zu sein, um sagen zu können: Ich bin ich und ich werde mich nicht für dich verstellen.

Man sagt, man lernt nie aus. Aus jeder Beziehung nimmt man wichtige Erfahrungen mit. Denkst du, mit dem Alter und den Erfahrungen lernen wir wie die Liebe tatsächlich funktioniert?
Liebe ist immer wieder etwas ganz Neues. Liebe ist vor allen Dingen nicht das, was wir aus Romeo und Julia kennen. Diese Erfahrung musste auch ich machen. Es gibt dieses komische indoktrinierte Bild von Liebe, welches wir durch Werbungen und Filme immer wieder vorgesetzt bekommen. Das Bild ist immer sehr Personenfokussiert. Meine Meinung ist, dass Selbsterhalt und Selbstpflege ganz wichtig in einer funktionierenden Partnerschaft sind. Ich möchte mich nicht von dem Menschen, den ich liebe oder von der Tatsache, dass ich liebe, vollkommen einnehmen lassen. Ich habe es schon einmal in einem anderen Interview gesagt: „Meine Verrücktheit ist da und ich lasse sie zu, aber meine Verrücktheit bringt mich nicht um den Verstand.“ Das gleiche gilt auch für die Liebe. Liebe existiert, ich schätze sie und ich kann nicht ohne sie. Aber ich lasse nicht zu, dass sie mich um den Verstand bringt.

Man spürt in der jungen Generation zunehmend eine Sehnsucht nach festen Bindungen. Wir lassen uns wieder auf Beziehungen ein und immer mehr Ehen werden geschlossen, in jungem Alter. Vor einigen Jahren wirkte das noch anders. Was haben wir in unserer Generation über Liebe gelernt und was ist uns womöglich auch verloren gegangen?
Ich kann nicht sagen ob unsere Generation etwas gelernt hat und wenn ja, was es wäre. Aber man spürt ein Bedürfnis nach Sicherheit. Und dieses Bedürfnis orientiert sich an globalen Veränderungen. Durch das Internet und sozialen Medien scheint alles so schnelllebig und unübersichtlich. Wenn wir etwas nicht wissen, dann schauen wir eben bei Google nach. Ich glaube, dass viele Menschen von dieser Schnelllebigkeit überfordert sind. Ebenjene Schnelllebigkeit und Überforderung löst ein Bedürfnis nach Sicherheit und festen Bindungen aus. Auch die Ungeduld Freundschaften zu pflegen spielt dabei eine große Rolle. Es braucht sehr viel Geduld, Ruhe, Zeit und Nachsicht Freundschaften aufzubauen. In der virtuellen Welt hat man viele Freunde, doch im echten Leben sind es nur eine Handvoll.

Es liegt in unserer Natur uns ständig mit anderen Menschen zu vergleichen. Das gilt auch für Beziehungen. Andere Partnerschaften wirken harmonischer als die eigene und das löst einen enormen Druck und viele Zweifel aus, und die Erwartungen und die Vorstellung von der großen Liebe werden stets größer. Inwiefern denkst, dass diese äußeren Umstände, die nicht selten mit sehr ideologischen Vorstellungen verbunden sind, eine gewisse Angst in uns auslösen?
Das ist ein wichtiger Punkt. Da gibt es eine ganz bestimmte Situation an die ich immer zurückdenken muss. Ich habe eine tanzpädagogische Ausbildung gemacht. Ich stand an der Ballettstange und mir liefen die Tränen über die Wangen, weil ich es nicht hinbekommen habe. Ich verkrampfte mich immer mehr und habe diese eine Übung einfach nicht geschafft. Da kam meine Ballettlehrerin zu mir und flüsterte mir ins Ohr: „Du wirst es nie schaffen, wenn du nicht aufhörst, dich mit anderen zu vergleichen.“ Das ist mir im Gedächtnis geblieben und  ich muss eigentlich immer wieder an ihre Worte denken. Sich nach außen und an andere Leute zu orientieren ist natürlich sehr verführerisch. Es ist wirkt immer leichter äußere Umstände zu beschreiben als zu erklären, was wir tief in unserem Innersten fühlen.

Als Künstler oder Künstlerin bist du schon fast gezwungen zu sagen: „Ich kann nicht von jedem gemocht werden und das ist okay.“ Diese Einstellung bewundere ich. Nicht nur an Künstlern, sondern an allen Menschen, Frauen wie Männern, die sich zu ihrer Unvollkommenheit bekennen. Dieser Raum und die Freiheit seine persönlichen Empfindungen zu zeigen und auszuleben, sollten dafür auch in einer Beziehung existieren.

Wie viele Frauen setzen sich unter Druck, weil sie eben keine gesunde Selbstliebe haben. Sie vergleichen sich äußerlich mit anderen Frauen und gehen unnötige Konfrontationen ein, weil sie sich weniger wert fühlen. Du fühlst dich nur dann minderwertig, wenn du dich mit anderen Menschen vergleichst. Wir sollten versuchen diesen Punkt langsam aber sicher aus unserem Leben zu eliminieren.

In Fool me once geht es um das schmerzliche Festhalten einer vergangenen Liebe. Warum ist es so schwer voneinander los zu lassen?
Ich glaube wir Frauen halten halt gerne an etwas fest. Das ist ein Instinkt gegen den ich mich versuche zu wehren. Leiden kann auch süchtig machen. Some people are just addicted to drama. Eben dadurch definieren sie sich auch. Mit dieser Sucht konnte ich noch nie was anfangen und deshalb ist dieser Song ganz wichtig für mich. „Fool me once shame on you fool me twice shame on me too“, zeigt, dass es immer zwei Verantwortliche gibt. In der Liebe gibt es weder einen Täter noch ein Opfer. Es gibt zwei Menschen. Man muss in einer Beziehung die Balance finden, zwischen Selbstzerstörung und Selbsterhalt.

Zweifelst du hin und wieder daran so private und intime Erfahrungen mit der Öffentlichkeit zu teilen?
Ich habe mich daran gewöhnt, dass man nicht alles richtig machen kann. Es gehört Mut dazu, persönliche Erfahrungen zu beschreiben und diese zu teilen. Ich habe richtig lange über diese Frage nachgedacht. Was antworte ich, wenn mich Leute fragen: Was hat dich dazu bewogen Fool me once zu schreiben? Ich habe mich dazu entschlossen ehrlich zu sein. Ich war unfassbar verliebt, zum ersten Mal richtig verliebt. Es ging mir durch Mark und Bein. Wenn man verliebt ist, sieht man plötzlich Welten vor sich, die einem zuvor unbekannt waren. Ich war 24 Jahre alt und ich habe meine ganze Zukunft vor mir gesehen. Da hätte ich eigentlich schon merken müssen: Utopie, Utopie! Ich habe alle Hoffnung und all meine Energie in diese Beziehung gesteckt. Doch ich habe den fatalen Fehler gemacht, dass ich das Gleiche von meinem Partner erwartet habe. Erwartungen kann man eigentlich gleich neben die Vergleiche stellen. Wenn du liebst, dann liebe, aber ohne die Erwartung, dass etwas zurückkommt. Natürlich bin ich eine Romantikerin, aber ich glaube wie gesagt nicht an Romeo und Julia. Ich glaube nicht daran, dass man für seine große Liebe sterben muss. Schon gar nicht innerlich. Die Erfahrung, die ich damals gemacht habe, hat mir gezeigt, dass ich vielleicht doch nicht so reif war, wie ich dachte.. Ich bin gegangen und habe die Beziehung hinter mir gelassen. Und ich kann bis heute nicht genau sagen, warum ich diesen Schritt gewagt habe. Die Musik hilft mir natürlich, diese Ereignisse zu verarbeiten, aber am Ende bleibt trotzdem ein großes Fragezeichen.

Worin siehst du heute die größte Herausforderung für sich liebende Menschen?
Genug Abstand zueinander zu haben. Natürlich hat man am Anfang die Phase in der man nicht voneinander getrennt sein möchte. Die größte Herausforderung ist es zu sagen: Es gibt Dinge in deinem Leben wie meinem Leben.

Man muss auch einen emotionalen Abstand bewahren. Ich denke, es ist wichtig deinen Partner ebenso wie einen Freund zu wahrzunehmen. Deine Freunde faltest du auch nicht ohne Grund einfach so zusammen. Dieser Respekt existiert in einer Freundschaft. Sensibilität und Taktgefühl bringt man viel eher in einer Freundschaft auf. Dein Partner sollte auch dein Freund sein, und hier komme ich wieder zurück zum Bild von Sidibé. Was ich so toll finde an der Aufnahme: die Protagonisten des Bildes könnten Freunde sein. Sie könnten aber auch Liebende sein, oder vielleicht Geschwister. Doch am Ende läuft alles auf das Gleiche hinaus: Jemandem den ich liebe möchte ich nicht wehtun.

Man kann nur lieben wenn man sich selbst liebt. Das ist eine altbekannte Floskel. Wie viel Wahrheit ist an dieser alten Weisheit dran?
Neben der Tatsache, dass man erst einmal mit sich selbst klarkommen muss, ist Kommunikation  hier besonders wichtig. Ich sehe bei vielen jungen Frauen, dass sie keine Kommunikation einfordern. Ich glaube aber, dass es wichtig ist zu wissen, wo und woran wir in einer Beziehung oder in einer Bekanntschaft sind. Dabei geht es ja um Selbstliebe. Man sollte Antworten einfordern und sagen: Ich möchte jetzt wissen, was das zwischen uns ist. Wenn zwei Menschen auf sich selbst achten, kann eigentlich nichts schiefgehen. Ich persönlich fühle mich zu starken Persönlichkeiten hingezogen, weil ich meine eigene Stärke nicht unterdrücken möchte. Ich werde nicht eine Minute mit jemandem verbringen, der mich klein macht. Genau das meine ich mit Selbsterhalt. Diese Kraft wünsche ich mir für Frauen ganz besonders.

Beitrag: Pia Ahlert
Portrait von Y’akoto: Julia Kiecksee
Bild: Malick Sidibé,
Nuit de Noël (Happy Club), 1963 © Malick Sidibé, Courtesy MAGNIN-A, Paris

Y’akotos neues Album Mermaid Blues erschien am 31.03.2017 über Warner Music.

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