Survival of the Fittest: Jenny Swank Krasteva

vor 7 years

Mit HUGO’s Show zur Pitti Uomo, bei der die neue Männer- und Frauenkollektion SS18 präsentiert wurde, beschreitet das Unternehmen neue, mutige Wege. Eine Performance von M.I.A. folgte im Anschluß. Fräulein wollte wissen, was und wer wirklich hinter der femininen Vision steckt. Ein Interview Vorort mit Jenny Swank Krasteva, Womenswear Chefdesignerin bei HUGO,  über Frauenpower, Arbeitsmoral und Kulturschocks.

Fräulein: Wie geht es dir?
Jenny: Gut, danke, nur etwas müde. Wir hingen gestern Nacht noch etwas mit M.I.A. rum. Sie ist einfach eine so coole Person und wahnsinnig intelligent.

Sie ist auch Gesicht eurer neuen Herbst-/Winter Kampagne. Wie kam es eigentlich zu dieser Kollaboration, kanntet ihr euch schon vorher?
Nein, wir haben sie einfach gefragt und hatten Glück. Die Idee kam eigentlich durch unsere Stylistin Vanessa Reid, die auch unsere jetzige Show gestylt hat.

Das Kleid, das M.I.A. während ihrer Performance trug, war auch HUGO?
Ja, wir haben es für sie anfertigen lassen, es ist das erste Bühnenperformance-Kleid, das wir für sie gemacht haben. Den grünen Jumper, den sie in der Front Row trug, ist ebenfalls customized. Es basiert auf den Look, den sie in der Kampagne trägt, der gefiel ihr so gut, dass sie uns fragte, ob sie ihn in grün haben könnte (lacht).

Sie weiß eben exakt, was sie will. Hinter ihrer Arbeit steckt wirklich eine klare Botschaft.
Ja, und sie kämpft für das, woran sie glaubt. Das machen nicht mehr viele in ihrer Position. Die meisten versuchen dann doch „neutral“ zu bleiben.

Mit den Kleidern in deiner aktuellen Kollektion hast du eine sehr unkommerzielle, fast schon „couturige“ , nicht wirklich alltagsintegrierende Richtung eingeschlagen. Prägt die Zeit bei Zac Posen deine Designs immer noch sehr?
 Absolut. Alles begann für mich bei Zac Posen, die Zeit bei ihm ist Teil meiner DNA geworden, sie fließt in meinem Blut  (lacht). Das gleiche gilt auch für meine Zeit bei Caroline Herrera. Besonders Zac Posens Designs zeichnen sich durch etwas sehr Architektonisches aus, kombiniert mit der Idee, jede einzelne Kurve einer Frau zu betonen. Das empfinde ich als eine sehr interessante Designvision.

Dein Blick auf die Mode ist also ultrafeminin geprägt. Trifft das auch auf die HUGO-Frau zu?
Ja, wobei das interessante bei HUGO der Tailoring Hintergrund ist. Die legendären Anzüge der 90er z.B. mit ihren unterschiedlichen Proportionen. Ich versuche damit zu arbeiten und die ultrafeminine  Interpretation etwas zu brechen mit Elementen aus der Menswear.

Ein großer, genereller Trend aktuell…
Ja, viele Designer machen das zurzeit, es ist auch sehr französisch. Für mich in meiner Position aber bedeutet es wirklich sehr viel, ich erforsche ein neues Terrain für HUGO. Ich denke, wir sind bei unserem Clash aus Mens- und Womenswear erst am Anfang.

Wie gehst du als Teil eines Riesenunternehmens mit dem völlig übersättigten Modemarkt um? Du hast es sicher nicht einfach, etwas Neues kreieren zu müssen ohne die Rechtfertigung einer Markenhistorie zu verlieren. Hinzu kommt die schwierige wirtschaftliche Situation, von der HUGO und BOSS ja nicht unberührt bleiben.
Heutzutage kann sich kein Unternehmen mehr zurücklehnen, jeder muss sich ausreichend neu interpretieren um interessant zu bleiben. Das Herz unseres Unternehmens allerdings ist und bleibt das Tailoring. Wir denken momentan nicht wirklich an unsere Konkurrenz, sondern versuchen vielmehr herauszuarbeiten, was HUGO/BOSS damals und was es heute bedeutet.

In deiner Heimat, einem kleinen Ort in Montana, bist du in einem Baugeschäft-Umfeld groß geworden. Inwieweit hat dir deine Sozialisation geholfen, als du dich entschieden hast, in der Mode zu arbeiten und nach San Francisco gegangen bist um dort zu studieren?
Am meisten hat mir meine Arbeitsmoral geholfen. Montana hat da einen sehr strengen Umgang – wenn dir ein Fehler unterläuft oder du ein Problem hast, steht niemand neben dir um deine Hand zu halten. Du bist auf dich selbst angewiesen und musst eine Lösung finden. Zudem habe ich während meiner Highschool-Zeit sehr viel Sport gemacht  (es gab damals nicht wirklich viel Alternativen, seine Freizeit zu gestalten (lacht)). Auch das hat meinen Charakter stark geprägt, konfrontiert zu werden mit unterschiedlichen Konkurrenz-Situationen.  Ich bin sehr dankbar dafür, wie ich aufgewachsen bin. Meine Tochter ist jetzt zwei Jahre alt. Ich denke oft, wie toll es ist, dass sie momentan in Metzingen aufwächst, in einer kleinen Stadt, genau wie ich. Ich hoffe sehr, dass sie dort ähnliches lernt, wie ich es damals getan habe.

Die Arbeitsmoral hat in unserer digitalen Social Media Welt sicher noch mehr an Wichtigkeit gewonnen, bedenkt man, dass jeglicher Zugang, auch beruflich, viel einfacher geworden ist. Alles ist demokratischer, was sicher auch ein gewisser Motivationskiller unter den jüngeren Generationen ist. Sind die Erwartungen der heutigen Jugend, schnell Erfolg zu haben, nicht immens groß geworden? Wo ist der große Fleiß geblieben?
Ja, das ist wahr, uns wird heute vieles auf einem Goldtablett serviert. Umso wichtiger werden kleine Dinge in der Erziehung, aber auch das Verständnis einer Arbeitsmoral. (Soziale) Medien vermittelt da oft ein verkehrtes Bild. Ich z.B. lasse meine kleine Tochter immer selbst ihren Müll wegwerfen, ihr Spielzeug aufräumen etc.! Meine größte Angst wäre, dass sie aufs College geht und nicht weiß, wie sie ihre Wäsche zu waschen hat (lacht). Grundlegende Alltagsfähigkeiten sind so wichtig, das vergisst ein Großteil leider heute oft. Wir leben zu viel und zu abgeschottet in unserer virtuellen Online-Welt. Dabei sind simple Sachen so gut, sehr gut sogar.

 Ja, Stichwort „soziale Intelligenz“, auch sehr wichtig für dich als Designerin.
Absolut, viele aus meinen alten Teams haben ihre Kommunikationsfähigkeit verloren, sie haben oft nur noch via Email Kontakt und wundern sich dann, warum sie keine Antworten mehr bekommen.

Glaubst du, dass das System unserer Universitäten, das oft einen Mangel an Praxisnähe aufweist, ein Problem für Absolventen darstellt, gerade im Designbereich?
Ich denke nicht, dass wir die Schuld den Universitäten geben können, vielmehr sehe ich es als ein Problem des Individuums an. Die Schulen sollten meiner Meinung nach vielmehr ein Guide sein, der  grundlegende Kenntnisse vermittelt. Was der Absolvent dann damit macht, das liegt ganz allein an ihm. Nur die Stärksten werden überleben (lacht). Und letztendlich ist ja auch Talent eine Ansichtssache.

Wie selbstverständlich empfindest du in Deutschland – auch im Vergleich zu Amerika – die Co-Existenz des Leben einer Mutter und Ehefrau und hart arbeitenden Karrierefrau?
Die deutsche Balance zwischen Privat- und Berufsleben ist eines der besten Dinge an meinem Umzug. New York ist da schon sehr brutal. Sobald du eine Familie hast, bist du für viele gestorben. Das ist schon ein Witz. Ich denke, dass viele Länder von dem deutschen System in dieser Hinsicht etwas lernen können. In meinem HUGO-Team gibt es sehr viele Mütter. Das ist wirklich großartig, weil wir wahnsinnig effizient arbeiten. Wir können Entscheidungen ziemlich schnell treffen, denn wir haben das beste, alltägliche Training zu Hause (lacht).

Du hast nach deinem Studium in New York gelebt und gearbeitet, bist dann zu dem Kleinstadtleben zurückgekehrt, in deutscher Version. Wie erlebst du den Kulturunterschied, auch marktbezogen?
Zuerst war es schon ein Kulturschock, v.a. weil ich kein Deutsch spreche – ich lerne aber so langsam dazu (lacht). Der amerikanische Markt ist wirklich sehr unterschiedlich von dem deutschen. Wonach der einzelne Kunde in Deutschland sucht, ist etwas sehr anderes als wonach der amerikanische schauen würde. Gleiches gilt für andere Märkte, jeder hat seine ganz eigenen Bedürfnisse. Das macht es aber auch so spannend und stellt für mich einen immensen Lernprozess dar.

Wie fühlte sich für dich zu Anbeginn der Größenunterschied an zwischen der Marken, für die du gearbeitet hast?
Ehrlich gesagt großartig, wenn auch gleichzeitig sehr herausfordernd, denn zuvor habe ich mit wesentlich kleineren Häusern und Teams zusammengearbeitet. Bei HUGO habe ich jetzt eine Menge Teams und Leute zu leiten. Ich habe großen Respekt vor der Unternehmensgröße, vor der Verantwortung und auch der Relevanz, die wir dadurch haben.

Interview: Sina Braetz
Fotos: Pressearchiv & Instagram

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