Erobert das Netz!

vor 7 years

Vor über 150 Jahren schrieb Ada Lovelace das erste Computerprogramm der Welt. Heute drängen immer mehr Frauen in digitale Berufe. Zeit für ein Update des Denkens.

Die digitale Welt gilt als Männerdomäne – damals wie heute. Wenn man an Menschen denkt, die Programme schreiben oder Computer bauen, kommt einem sofort das Bild vom Nerd mit Hornbrille in den Kopf. Zu Unrecht. Die Technik wäre längst nicht so weit gekommen, wenn in der Vergangenheit nicht einige Frauen aus ihrer Rolle gefallen wären und sich selbst eine neue Welt eröffnet hätten. Das Problem ist nur, über technikaffine Frauen spricht keiner.

In den Vierziger Jahren wurde das Programmieren zur Frauensache erklärt – aus reinem Sexismus. In seinen Anfängen galt der Beruf als Sekräterinnenjob und war dadurch zu minderwertig für den Mann. Mit ihren kleinen, von der Handarbeit trainierten Händen waren Frauen wie geschaffen für die Friemelarbeit am Computer, so dachte man(n) früher. Wenn es aber um Erfolge ging, waren die Männer sehr schnell wieder am Start. Sechs Frauen aus den USA programmierten Mitte der Vierziger Jahre den Eniac, den Nachfolger des ersten vollelektronischen Rechners. Die Auszeichnung dafür bekamen aber nicht sie, sondern ihre männlichen Kollegen. Bis Ende des 20. Jahrhunderts hielt sich das Gerücht, die Frauen auf den zeitdokumentierenden Bildern seien nur Pappfiguren.

So konnte sich über die Jahre langsam das fälschliche Bild festsetzen, dass Frauen nichts in der Technik zu suchen haben. Für junge, interessierte Mädchen gibt es keine weiblichen Vorbilder wie in anderen Branchen und viele Frauen, die in den letzten 150 Jahren halfen, die Technik voran zu bringen, wurden schnell wieder vergessen.

In der Konferenz „Digital ist besser“ in Berlin wurde vor kurzem über die Digitalisierung diskutiert, die als technische Revolution auch eine Revolution der Rollenbilder zur Folge haben könnte. Vor allem junge Frauen setzen sich mehr mit Technik auseinander und bekommen wieder Lust aufs Programmieren. Für sie ist der Schritt in diese Arbeitswelt einfacher, weil die digitale Welt durch Computer, Smartphone und Co. längst schon im Alltag angekommen ist. Außerdem unterstützen Institutionen wie der Zentralverband des Deutschen Handwerkes das Bemühen, Frauen für männerdominierte Branchen wie Informatik oder Mathematik zu begeistern und die sogenannten MINT-Fächer an Universitäten (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) für Frauen attraktiver zu machen. So wird eine Brücke zwischen Hard- und Softwareentwicklung geschlagen, die auch die einstigen Geek-Jobs für weibliche Bewerber attraktiver machen. Mit Erfolg, denn die Zahl der Wirtschaftsingenieurinnen und Entwicklerinnen steigt.

Vor allem der Anteil junger Frauen unter 30 Jahren ist in der digitalen Wirtschaft schon heute höher als der der Männer. Eine der bekanntesten Informatikerinnen der Welt, Grace Hopper, hat 1967 die weibliche Multitasking-Fähigkeit als Vorteil für technische Berufe herausgestellt. Sie verglich das Programmieren mit der Zubereitung des Abendessens: Man müsse vorausplanen, sodass alles fertig ist, wenn man es braucht. Klar, der Vergleich ist eigen, aber Hopper war eine so wichtige wie laute Stimme gegen die lange währende Meinung, Frauen fehle die Intelligenz für MINT-Fächer.

Mit 39 Prozent sind die weiblichen Mitarbeiterinnen in digitalen Berufen ihren männlichen Kollegen dicht auf den Fersen. Und auch in den MINT-Fächern nimmt die Zahl der Studentinnen zu. Durch die Digitalisierung entstünden ganz neue Möglichkeiten, die eine Effizienzsteigerung auf der einen Seite und eine neue Art der Zusammenarbeit auf der anderen mitbringe, so Prof. Dr. Isabell Wolf von der Fraunhofer Academy.

Trotz dieser digitalen Revolution und den offensichtlichen Erfolgen braucht das männliche Denken aber immer noch ein grundsätzliches Update. Eine empirische Studie auf der Plattform GitHub hat herausgefunden, dass Frauen im Vergleich sogar besser programmieren. Auf der Internetseite können selbstgeschriebene Codes hochgeladen und bewertet werden. Wider dem Klischee schneiden Frauen positiver ab, solange die Community denkt, das Programm kommt von einem Mann. Sexismus trifft auf Können, Kastendenken auf vorgespielte Toleranz.

Damals waren es Ada und Co., heute zeigen das Googirl Marissa Mayer oder die Spieleentwicklerin Jade Raymond, was sie auf dem Kasten haben. Sie brechen mit dem Klischee, das weibliche Geschlecht kenne sich nicht mit Computern aus oder sei schlecht in Mathe. Auch, wenn die Frauen noch weit davon entfernt sind, die Branche zu dominieren – sie sind längst da und müssen nur endlich gesehen werden.

Text: Louisa Markus
Bild: Image from Historic Computer Images
(Patsy Simmers, holding ENIAC board. Next: Mrs. Gail Taylor, holding EDVAC board. Next: Mrs. Milly Beck, holding ORDVAC board. Right: Mrs. Norma Stec, holding BRLESC-I board. Taken in 1962.)

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