DOWN in HAMBURG

vor 6 years

Die Hamburger Sängein Tarin Wilda aka ACE TEE erobert mit einem entspannten R´N´B Track Amerika. Was ist denn da bitte los? Einfach gute Musik!

 

 

Ace Tee ist ein Pop-Phänomen, wie es wohl nur auf den Sozialen Medien entstehen kann – gerade weil es so real ist. In Deutschland noch kaum bekannt, ging die Single Bist du down? der Hamburger Sängerin Tarin Wilda nach nur einem Post durch die Decke. „The new TLC are German, pass it on“, schrieb die Kanadische Userin Yung Rachu am 4. Januar auf Twitter. Dazu wurde der Videoclip zur Single verlinkt und auf Youtube mittlerweile über 1.7 Millionen angeschaut.Große amerikanische Blogs wurden auf Wilda aka Ace Tee aufmerksam, sogar die Vogue brachte ein Interview. In Deutschland rieb man sich verwundert die Augen. Was war denn da bitte los, eine deutsche Künstlerin erobert die USA? Das hatte es ja seit Nena nicht mehr gegeben. Zumal Bist du down? nicht gerade ein klassischer Ohrwurm ist, viel eher ein äußerst entspannt dahin mäandern der Wohlfühltrack. Die Süddeutsche Zeitung hat darauf hingewiesen, dass Ace Tee zunächst vor allem auf Modeseiten gefeiert wurde, nicht in den klassischen Musikmedien. Und tatsächlich hat man lange keinen so konsequent durchgestylten 90er-Jahre-Look mehr gesehen wie im Video zu Bist du down? Schöne Menschen tanzen unter einer mit Graffiti besprühten Hamburger Autobahnbrücke zu einem schleppenden Beat. Die Ästhetik des Videos erinnert ein wenig nostalgisch an die Hochzeit des Musikfernsehens, an MTV und Viva. Trotzdem ist alles irgendwie hier und jetzt. Eine interessante Mischung, die den Hype um Ace Tee erklären mag. Fräulein sprach mit der 23-jährigen Wilda über die Helden ihrer Jugend, das Lebensgefühl der 90er-Jahre und einfach gute Musik.

Kürzlich erst wurde bekannt gegeben, dass TLC, eine der prägendsten R’n’B-Gruppen der 90er-Jahre, dieses Jahr auf Tour geht. Woher kommt die Sehnsucht nach dieser Zeit und diesem Sound?

Erstmal, TLC ohne die Sängerin Lisa Nicole Lopes a.k.s. Left Eye sind nicht TLC. Grundsätzlich glaube ich, es liegt an unserer Zeit. Alles ist gerade negativ. Daher wollen die Leute in der Musik wieder diesen positiven Vibe spüren. Etwas, das sie ablenkt. Außerdem ist es einfach gefühlvolle Musik. Auch etwas, das gerade fehlt. Ehrliche, gefühlvolle Musik.

Wie kann man dieses beschreiben? In wiefern hat sich die Stimmung und das Lebensgefühl von damals zu heute verändert?

Das kann ich gar nicht so genau sagen. Wenn wir unter uns Musik machen, wird sehr viel gefreestyled, gevibed. Ich glaube, das macht dieses Gefühl aus. Es ist aber nicht so, dass ich einem Gefühl hinterher jage. So alt bin ich noch nicht, dass ich genau wissen würde, was damals Zeitgeist war. Aber ich suche nach einem persönlichen Gefühl, das mir diese Musik gegeben hat, und versuche, es ins jetzt zu transportieren. Das gelingt nicht immer, aber wir sind ja auch noch am Anfang. Was Mode angeht, will ich mich einfach gut fühlen in dem, was ich trage. Ob das ein Designerdress ist oder ein Jogginganzug, ist dabei egal.

Welche Musik hast du als Jugendliche gehört, was waren die Bands, die dich auch ästhetisch geprägt haben?

Alles mögliche. Aber durch meine Familie schon viel 90er R’n’b, New Jack Swing, aber auch die eine oder andere Teeny-Boy-Band, da kann ich nicht lügen ;).

Mit dem Song Bist du down? und dem dazugehörigen Video hast du einen Nerv getroffen. Deutschland, überhaupt Europa, wurde im Hinblick auf Rap und Hip-Hop lange Zeit nicht ernst genommen. Oftmals wirkte es verkrampft und unecht. Man nahm es den Künstlern nicht ab. Bist du der Meinung, dass in eurer Musik und eurem Stil mehr Wahrheit und Glaubwürdigkeit liegt?

Ich konnte Rap in Deutschland schon immer ernst nehmen. Für mich wirkte es nicht verkrampft. Und ich glaube auch nicht, dass bei uns mehr Wahrheit und Glaubwürdigkeit drin steckt. Nope, sorry, das kann ich so nicht sagen. Generell ist es so: Wenn Leute echt zu sich selbst sind, werden das auch alle andere merken.

Bis vor zwei Jahren hast du noch unter dem Künstlernamen MEDUZV Musik gemacht. Damals klang deine Musik recht hart und düster im Vergleich zu deinem heutigen Stil als Ace Tee. Was hat dich von davon weggetrieben, hin zu einem eher positiveren Hip-Hop-Vibe?

Ich habe die Musik sehr gefühlt, habe mich ausprobiert, aber im Endeffekt gemerkt, dass ich das nicht bin und mich mehr darauf konzentriert, etwas zu machen, das mehr meinem Lebensgefühl und meiner Einstellung entspricht.

Warum ist Hamburg eigentlich so prägend für die deutsche Musikszene? Welche Künstler interessieren dich auch über den Hip-Hop hinaus?

Hamburg ist eine Stadt ist, die Künstlern von ihrem vibe her viel bietet. Ob jetzt Straße, Gefühl oder was auch immer. Außerdem ist es nicht so eine Inzucht-Szene wie Berlin. Das meine ich gar nicht negativ – also kein Berlin-Diss. Ich liebe Berlin, aber du bist da immer mit dem neusten Trend konfrontiert, für mich wäre da zu viel Input. Das macht es schwierig, sich selbst zu finden. In Hamburg kannst du das besser. Hamburg ist halt ein Dorf in der Großstadt. 

Was bedeutet für dich Mode als Künstlerin? Wie wichtig ist „guter“ Stil?

Guter Stil ist schwer zu beschreiben. Was genau soll das sein? Ich glaube, es ist wie mit der Musik. Wenn du es ernst meinst und dein Ding machst, dann merken das die Leute und feiern es – oder freuen sich darüber. 

Wie politisch muss Musik sein, die 2017 entsteht? Was sind die großen Themen, die dich bewegen?

Puhhh – ich glaube, ich bin so unpolitisch, dass ich schon wieder politisch bin. Alle denken von mir, ich müsste eine krasse Meinung zu Rassismus in Deutschland haben. Natürlich habe ich die, sie definiert mich aber nicht. Heißt, sie schränkt mich in meinem Denken nicht ein. In meiner kleinen Welt spielt Herkunft, Aussehen und Hautfarbe kein Rolle. Ich weiß, das ist naiv, aber ich behalte es mir vor. Wir behalten uns das so vor als community. Bei den jüngeren Kids aus unserem Viertel spielt es noch eine geringere eine Rolle. Gerade im Hip-Hop, beim Tanzen oder so – alle wollen nur machen, kreativ sein und zusammen kreativ sein. Darauf kommt es an.

 

Bild 1:

Jeansjacke: Balenciaga über The Store x Soho House
Bralette: Calvin Klein Jeans
Jeans: Martine Rose über matchesfashion.com
Bandana: Model’s own

Bild 2:

Hemd und Hose: Liam Hodges über The Store x Soho House

Bralette: Calvin Klein Jeans

Slipper: Fenty x Puma

Socken: Nike

Bild 3:

Lederjacke und Hoodie: Wood Wood
Visor: Max Mara
Ohrringe: Uncommon Matters

Bild 4:

Lederjacke und -hose: Hermès
Sneaker: Eytys
Ohrringe: Uncommon Matters
Socken: Nike

Fotos
STEPHANIE PFAENDER
Styling
SEBASTIANO RAGUSA
Text
TIMM VAU

Haare & Make-up: Silke Zeitz
Fotoassistenz: Janine Sametzky
Stylingassistenz: Doreen Kipping
Ein besonderer Dank gilt dem Hotel Zoo Berlin

Die Strecke erschien erstmals in der Fräulein Ausgabe 02/ 2017.

 

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