Im Interview: Von einer Designerin, die Geschichten für ihre Entwürfe spinnt

vor 6 years

Für ihre Ideen reist Jenia Kim auf Inseln oder geht auf imaginäre Spaziergänge durch die Straßen Seouls.

Jenia Kim ist Tochter koreanischer Immigranten und in Taschkent, Usbekistan, aufgewachsen. In Moskau studierte sie Modedesign und gründete kurze Zeit später ihre Marke J.Kim. Klare Linien, moderne Designs und viel koreanischer Einfluss sind in Jenias Entwürfen zu entdecken. In diesem Interview spricht sie darüber was ihre Marke ausmacht, woher sie ihre Inspirationen nimmt und über welche Komplimente sie sich am meisten freut.

Fräulein: Wie würdest du deine Marke in einem Wort beschreiben?

Jenia: Vereinend.

Wie würdest du dich selbst in einem Wort beschreiben?

Suppe.

War es eine bewusste Entscheidung asiatische Einflüsse in deine Mode mit einzubeziehen?

Es war eine bewusste Entscheidung. Der Bezug zu meinen Wurzeln wird immer deutlicher. Ich bin sehr an der usbekischen Kultur interessiert, das Land, in dem ich aufgewachsen bin und der koreanischen Kultur, aus der ich stamme.

Siehst du manchmal eine Einschränkung für dich darin?

Ich sehe keine Einschränkungen darin, denn ich spinne Geschichten, die nicht direkt mit meiner DNA verbunden sind. Ich war zum Beispiel stark von den Perlenkönigen und- Königinnen inspiriert, also habe ich die Geschichte von dem koreanischen Mädchen, das in Usbekistan in der Familie von den Perlenkönigen und-königinnen aufgewachsen ist, erfunden. Alles macht auf einmal Sinn. Entwürfe bekommen so eine Hintergrundgeschichte, die nicht immer an meine biologische Herkunft gebunden sein muss.

Deine Tote-Bag Kollektion, besteht aus hartem bedruckten Plastik, die mit extrem realistischen Zeichnungen von Meereskreaturen bemalt worden sind – ein Spiel mit der Wahrnehmung von Realität und Virtualität. Wie bist du darauf gekommen?

Ich bin geistig durch die Straßen von Seoul gereist, wo ich viel Zeit verbracht habe, während ich die Kollektion erstellt habe. In meinen Gedanken bin ich durch die Straßen mit zahlreichen Cafés und großen Aquarien gefüllt mit Meereskreaturen spaziert. Ich habe mir vorgestellt wie ein Mädchen Fische kauft und wie der Verkäufer eine Plastiktüte mit Wasser und lebenden Aalen füllt. Ich habe noch nie gesehen, dass Fische so verkauft werden. Ich habe einfach fantasiert. Als ich, dann auf der Jeju Insel für ein Shooting war, habe ich gesehen, dass Fische tatsächlich so verkauft werden. Wir baten die Verkäufer mit unseren Tote-Bags so zu posieren, als würden wir wirklich etwas kaufen. Die Bilder sind sehr realistisch geworden. Tatsächlich wurden die Zeichnungen von Alexey Klepnev, einem Künstler, angefertigt.

Wenn du ein Lieblingsstück deiner Arbeit aussuchen müsstest, welches würde es sein und warum?

Wahrscheinlich wäre es das Kleid mit den Figuren drauf, die so aussehen als würden sie tanzen, aus der FW15 Kollektion. In meinem Fall habe ich die langen Ärmel mit weiten Satin Schleifen ersetzt. Bei Bewegung sieht es so aus, als würden die Figuren tatsächlich tanzen. Ich liebe dieses Kleid, weil es lieb wirkt und einfach ist.

Würdest du es jemals in Betracht ziehen andere Kulturen in deine Arbeiten miteinfließen zu lassen?

Ich habe das schon getan, allerdings hat alles was meiner Feder entspringt einen asiatischen Bezug. Sogar ein klassischer Mantel wird irgendwelche asiatischen Elemente haben. Meine SS16 Kollektion war von Indien inspiriert. Farben wie indische Gewürze, Broschen auf Kleidern und Gesichtsschmuck. Ich mag es Informationen, die ich auf meinen Reisen akkumuliere zu transformieren. In Japan war ich noch nie. Das Land hat mich immer schon inspiriert. Ich habe ein wenig Bammel davor, dass die Kollektion nach einem Japan Besuch durch und durch japanisch sein wird.

Welche Designer inspirieren dich?

Elsa Schiaparelli, Cristobal Balenciaga, Kansai Yamamoto. Ich mag viele Designer, jeden auf eine andere Art und Weise. Ich mochte immer schon Phoebe Philo und Raf Simons, für seine Marke. Ich mag Haider Ackermann, Jeremy Scott und Christopher Kane seit der Universität. Einige meiner neueren Favoriten sind Y Projekt oder Simone Rocha. Seit meiner Jugend mag ich Wales Bonner, Faustine Steinmetz. Ich habe Susan Fang in London kennengelernt, sie ist noch nicht berühmt aber sie macht sehr coole Sachen!

Welcher Designer hat dich in deiner Jugend/Bildung beeinflusst?

Ich habe während meines Studiums ein Praktikum bei Vyacheslav Zaitsev gemacht, einem russischen Modedesigner. Er wurde für mich zum Exempel eines starken Menschens, der immer mit vollem Einsatz bei seiner Arbeit ist. Zu der Zeit habe ich realisiert, dass Designer sein nicht nur kreative Arbeit, sondern auch immense physische und psychische Arbeit bedeutet.

Gibt es etwas, das du niemals designen würdest?

Ich möchte kein Massenprodukt kreieren oder Kopien schlechter Qualität darstellen, die das Design selbst abwerten.

Gibt es etwas, das du niemals designen wolltest, dann aber doch designt hast?

Hoodies. Ich habe mich für mehrere Saisonen geweigert, die zu machen. Heute gehören sie zu meinen Bestsellern. Wenige Menschen sind an komplizierter Kleidung interessiert, die meisten wollen etwas Funktionales.

Gibt es eine Kollektion, die dich als Person repräsentiert?

Frühjahr/Sommer 2018. Ein Bestandteil der Kollektion sind steife weite Jeans. Ich habe sie bewusst kreiert und realisiert, dass meine privaten Kunden Jeans, die Beine krumm aussehen lassen nicht so wertschätzen würden. Ich meine, welches Mädchen träumt von krummen Beinen? Allerdings habe ich mich dazu entschieden das zu erstellen was ich möchte.

Welche Epoche inspiriert dich?

 Die interessanteste Epoche für mich, wenn ich an einer Kollektion arbeite, ist die in der ich schon mal gelebt habe. Also die 90er bis heute.

Einen großen Teil deiner Karriere hast du alleine gearbeitet. Magst du es lieber alleine zu arbeiten oder mit einem Team?

 Ich träume von einem Team. Du kannst dir gar nicht vorstellen wie sehr ich von einem großen Team träume. Ich träume von Menschen, die meine Marke so lieben werden wie ich sie liebe und ein Teil davon werden. Ich träume von einem ovalen Tisch, an dem wir Ideen und Aufgaben diskutieren. Aber dieses permanente Team wurde noch nicht formiert und ich habe auch noch nicht mit Absicht danach gesucht. Ich glaube, dass alles zur richtigen Zeit und am richtigen Ort passiert.

Du hast einmal gesagt, dass deine Mutter deine größte Inspiration ist: Was sagt deine Mutter zu deiner Arbeit?

Meine Mutter versteht nicht wirklich alles aber sie vertraut mir sehr. Sie hat diese innere Gewissheit, dass ich alles richtig mache und sie zweifelt nie an mir. Häufig fragt sie: „Wer trägt das?“. Wenn ich etwas Elegantes und Fassendes für Frauen möchte, dann frage ich sie erst, ob sie es tragen würde. Sie trägt einige Teile meiner Kollektion und sie stehen ihr wirklich sehr gut.

Was wäre das schönste Kompliment an dich?

Die Marke hat Identität. Die Kollektion reflektiert die Art meines Denkens.

Was wäre das schlimmste Kompliment an dich?

Komplimente, die ein edles Bild in meinem Kopf bewahren. Diese Wörter, die wirklich nichts bedeuten.

 

Interview: Maria Kustikova

Bildercredits: J.Kim

 

 

 

 

Verwandte Artikel