In unserer Serie über zeitgemäßen Feminismus fordert unsere Kollegin Laura, dass Frauen endlich aufhören, sich selbst zum Opfer zu machen – und beginnen zu kämpfen.
Feminism ist nicht tot, er schläft
Für mich ist Feminismus heute der Wunsch, nicht mehr darüber reden zu müssen, ob ich mich rasiere, ob ich Karriere machen kann, wenn ich früh ein Kind bekomme, ob ich heiraten will, ob ich genauso viel verdiene wie ein Mann im gleichen Job. Aber das ist nur ein Traum. Feminismus ist für mich auch der Wunsch, mir nicht mehr anhören zu müssen, was ein echter Mann und eine echte Frau ist, nicht mehr Baumarkt-Werbung sehen zu müssen, in der heldenhafte starke Männer sich dreckig machen noch gefragt werden, ob ich meine Periode habe, wenn ich mich beschwere. Auch das ist nur ein Traum. Feminismus ist für mich keine H&M-Kampagne, die individuelle Frauen proklamiert und auch kein rosa glitzerndes Einhornfedermäppchen auf dem „Girlboss“ steht. Schön wär‘s…
Das Wahlrecht haben Frauen in Deutschland schon relativ lange (Ich sage relativ, denn eigentlich sind 100 Jahre dann auch nicht so lange), Abtreibungen sind in Deutschland verhältnismäßig sicher und reguliert durchführbar und Studieren sowie Arbeiten ist auch für Frauen normal (Ich spare es mir an dieser Stelle mal, über die verheerenden Verhältnisse in anderen Ländern zu reden, denn dann würde dieser Text niemals enden). Dafür haben Generationen von Feministinnen vor uns gekämpft, erfolgreich. Die Empörungswelle der 70er-Jahre ist abgeklungen, alles geht seinen gewohnten Gang. Doch die Erfolge wurden von Trägheit abgelöst.
Wie viele Frauen kenne ich, die sich einfach nicht mit dem Thema Gleichberechtigung auseinandersetzen? Die einfach so hinnehmen, dass sie nicht die gleichen Chancen haben, wie ihre männlichen Konkurrenten, die nicht wahrnehmen, dass der Alltagssexismus uns einlullt und blind dafür macht, was weit darüber hinaus noch alles schief läuft. Und schlimmer noch: Ich kenne auch einige, die sich selbst reduzieren, klein machen und zum Teil regelrecht diskriminieren. Wie kann ich erwarten, dass alle Männer mich als gleichgestellt sehen, wenn es noch genügend Frauen gibt, die das selbst nicht tun?
Du kaufst dir ein T-Shirt, auf dem GRLPWR steht und lässt dich beim Date grundsätzlich einladen? Du beschwerst dich über sexistische Kommentare während der Arbeit aber meinst, Verhütung sei nun mal „Frauensache“? Du sagst, du willst die gleichen Karrierechancen wie Männer haben, aber behauptest, wenn eine Frau ein Kleid trägt, muss sie damit klarkommen, wenn man ihr im Club zwischen die Beine greift? Ich kenne solche Frauen.
Feminismus heute bedeutet für mich, dass sich jede Frau mit ihrer Rolle auseinandersetzt. Reflektiert, wo sie steht und warum. Ich wünsche mir, dass jede Frau hinterfragt, ob das eigentlich zeitgemäß ist und welches Bild es vermittelt, wenn der Vater die Braut vor dem Altar in die Hände des zukünftigen Mannes übergibt. Tradition hin oder her, zumindest die Frage sollte man sich gestellt haben. Ich will nicht mit erhobenem Zeigefinger durch die Welt laufen und alle meine Formulierungen gendern. Weil ich nicht daran glaube, dass es in dieser Diskussion eine absolute Wahrheit gibt. Weil ich daran glaube, dass wir unsere eigene Wahrheit finden müssen, jeder für sich. Und dabei kann man Fehler machen. Aber wir sollten keine Angst davor haben.
Es beginnt im Kleinen, auf der Straße, wenn Mann Frau hinterherpfeift oder eklige Kommentare ins Ohr raunt. Passiert mir fast täglich. Mittlerweile wehre ich mich dagegen. Ich gehe nicht einfach weiter und fühle mich scheiße. Ich drehe mich mit einem tötenden Blick in den Augen um und frage ihn, was das eigentlich soll. Meistens ziehen sie dann den Schwanz ein. Ob das was bringt? Weiß ich nicht. Aber ich fühle mich danach nicht mehr scheiße, weil ich reagiert habe, mich gewehrt habe.
Also: Wenn jede Frau sich mit ihrer eigenen Stellung auseinander setzt, dann sind wir alle Feministinnen. Aber tun sie das? Und kann man es erwarten? Am problematischsten sehe ich die Bequemlichkeit, die dem im Weg steht. Hier braucht es vielleicht einfach Feministinnen, die den unbequemen Weg gehen und die anderen aus ihrer Komfortzone herauslocken.
Es beginnt im Kleinen und da muss man ansetzen. Jeder für sich, denn erst wenn wir unsere eigene Position geklärt haben, kommen wir an einen Punkt, von dem aus wir starten können. Wenn die Vermarktung von Feminismus dazu führt, dass mehr Frauen sich mit ihrer Rolle auseinandersetzen und diesen Punkt finden, dann soll es mir recht sein. Aber es darf dort nicht aufhören, es ist erst der Anfang.
Text: Laura Greiff