Die schönste Sache der Welt kann schnell kompliziert werden. Liebe ist irrational, doch genau das sollte sie auch sein! Sie ist eine Rebellion, gegen zu große Kontrolle und Konformität, sie weckt unsere Lebensgeister. So sieht das jedenfalls die Singer-/Songwriterin Tove Lo. Bereits vor zwei Jahren besang sie ihren Trennungsschmerz in „Habits (Stay High)“, ganz ohne Kompromisse und Filter und wurde dafür mit dem Grammy nominiert. Fräulein traf die charmante Schwedin in Berlin.
Liebe bedeutet Schmerz
Verfolgst du bei deinem neuen Album Lady Wood wieder das Prinzip eine in sich abgeschlossene Geschichte zu erzählen?
Fräulein: Ja, es wird wieder ein großes Ganzes ergeben, das ist mir sehr wichtig. Ganz speziell geht es darum, wie ich mit mir selbst und meinen Beziehungen umgegangen bin – die Veränderungen der letzten zwei Jahre. Zehn verschiedene Geschichten über die verschiedenen Level eines Rausches oder eines Highs, die man durchlebt. Egal ob es Liebe, Drogen oder eine Performance ist, was auch immer das Blut pulsieren, einen lebendig und erregt fühlen lässt. Lady Wood ist ein wenig dunkler und dramatischer, wie eine Achterbahnfahrt und eine abgeschlossene, emotionale Reise. Bonus Tracks wird es daher keine geben, denn diese Schnelllebigkeit degradiert Musik, auch wenn es Pop ist, leider oftmals zum Wegwerfartikel.
Dein erstes Album setzt sich aus dem Sex-Teil, dem Liebes-Teil und dem Schmerz-Teil zusammen. Würdest du sagen, dass das eine Universalformel für die Funktionsweise von Beziehungen ist?
So habe ich es jedenfalls bisher erlebt. Am Anfang ist meist die Leidenschaft, diese erste kribbelnde Sensation, der Kick. Meistens nutzt sich dieses Gefühl aber schnell ab und der erste Rush verfliegt. Die Partner lassen die Hüllen fallen und man sieht welche Art von Mensch der andere ist, wenn man die obere Schicht der Zwiebel abzieht. Es ist wie ein Realitätsschock und man versucht zwanghaft wieder in den ersten aufregenden Zustand zu gelangen. Bei einem Interview wurde ich mal gefragt, ob ich immer erst mit den Leuten schlafe, bevor ich mich in sie verliebe. Da konnte ich nur mit „Ja“ antworten, denn es ist doch meistens so.
Das gehört oft zum Spiel dazu…
… und da ist auch nichts Falsches daran, auch wenn manche Menschen mich deshalb schnell verurteilen. Als Erstes ist da Leidenschaft und wenn das Ganze nicht vorher zerbricht dann entwickelt sich das zu Liebe. Man hat Angst davor sein wahres Ich zu zeigen, inklusive der Makel und den Narben, die man mit der Zeit angehäuft hat. Leidenschaft ist meistens schmerzhaft, ganz einfach, weil sie zu intensiv ist.
Und was ist wahre Liebe für dich?
Vielleicht bin ich einfach älter geworden oder ich hatte zu viele Beziehungen, die in einer Explosion geendet sind. Mittlerweile denke ich, dass wahre Liebe vielleicht die Ruhe ist und nicht der Sturm. Der Ort an dem man einander vollends vertraut, unendlich liebt und sich auch nicht gegenseitig ändern will. Leidenschaft und Hass liegen so nahe beieinander, so beginnt man manche Dinge, die einen anfangs an der Person angezogen haben, mit der Zeit zu hassen. Es ist schwierig zu dem Punkt zu kommen, an dem man sich einfach nur sicher fühlt.
Suchst du auch als Künstlerin nach dem Punkt an dem man unantastbar glücklich ist?
Wenn ich ganz ehrlich bin, dann macht mir das Glücklichsein auch ein wenig Angst. Ich mache mir Sorgen, dass diese Zufriedenheit und die stillen Wässer nicht förderlich sind für meine Kreativität. Die Musik war schon immer mein Outlet für Schmerz, die Leidenschaft unterstützt das. Ich hatte schon immer eine dramatische und intensive Ader und beim Songwriting kann ich das alles in eine Richtung lenken. Die Inspiration für Künstler kommt ja meistens von dunklen Orten, die die Gesellschaft totschweigt.
Wenn wir bereits bei prekären Themen sind. Es geht in deiner Musik hauptsächlich um Sex, Herzschmerz und Drogen. Wie waren da die Erfahrungen mit deinem persönlichen und medialen Umfeld?
Sehr konträr. Kreative Leute hatten kein Problem mit meiner Offenheit und manche Medien waren nur an Skandalen interessiert. Ich verteidige nichts und spiele nichts herunter, denn ich erzähle nur davon wie ich lebe und viele Leute können mir das offensichtlich nachfühlen.
Gibt es nationale Unterschiede?
Ja, extrem! In Schweden ist Sex überhaupt kein brisantes Thema, da wird eher dazu ermutigt offen darüber zu sprechen. In Amerika ist es genau anders herum, da ist man offen bezüglich Drogen, aber Sex ist das große Tabu, es wird fast schon als etwas Böses angesehen. Ich stehe zu meiner Sexualität, deshalb zeige ich auf der Bühne auch mal meine Brüste. Das hat als provokativer Spaß begonnen und wurde irgendwann zum Teil meiner Show, so dass die Leute im Publikum mittlerweile auch mit mir Blank ziehen. Es sind sehr intensive sexy Momente, die einfach nur außergewöhnlich sind.
Im ersten Song deines neuen Albums Cool Girl geht es um Machtspiele, zwischen Liebenden?
Das stimmt, der Song beleuchtet die Dynamik am Anfang einer Liaison, ist aber auch ironisch zu sehen. Man weiß nicht genau wer der andere ist und meistens fühlt man sich in dieser Situation nicht wohl. Wir haben diese komische Angewohnheit, dass wir alles benennen und abstempeln müssen, was wir machen und darstellen. Man spielt diese Spielchen, wo man die andere Person konstant verunsichern möchte. Man sollte doch nach einer ehrlichen, realen und tiefgründigen Beziehung streben. Wenn man also nicht auf gewünschter emotionaler Ebene ist, beginnt man oft die andere Person zu manipulieren, um den eigenen Willen zu bekommen. Es macht keinen Sinn, weil Macht und Liebe eigentlich nicht gemischt werden sollten, das ist sehr gefährlich.
Ein riskantes Spiel, in dem man sich leider selbst viel zu oft verliert.
Ja, total, denn anscheinend hat die weniger emotional involvierte Person die Oberhand. Das kann man wieder darauf zurückführen, dass die gesellschaftliche Norm suggeriert, uns nicht von Emotionen leiten zu lassen. Immer muss man professionell sein, wenn man die ganze Zeit doch nichts anderes tut als Fühlen, das macht einen krank am Ende. Bis man an einem Punkt angelangt ist, an dem man überhaupt keine Gefühle mehr zeigt, einfach weil man niemanden aufregen möchte. Speziell als Frau bekommt man oft eingeimpft, dass man sich kleiner machen muss als man ist.
Was ist dann für dich in diesem Zusammenhang ein wahres cool girl?
Ein cool girl ist für mich eine, die ehrlich ist und die sich nicht von irgendjemandem zu Etwas machen lässt, das nicht in ihr steckt, nur um zu gefallen.
Lady Wood von Tove Lo ist ab sofort über Universal Music erhältlich
Beitrag: Julia Deutsch