So stell‘ ich mir die Liebe vor: Ronja von Rönne

vor 7 years

Ronja von Rönnes Erstlingswerk war der Hype dieses Frühlings. Im Vorjahr hatten ihre provokanten Thesen über den Feminismus viele irritiert, was sie bedauert. Ein Gespräch über die Bedingungen der Fortplanzung, Game of Thrones im Bett und vor allem: über die Liebe!

Dein Debütroman Wir Kommen ist Anfang des Jahres im Aufbau-Verlag erschienen. Im weitesten Sinne ein Buch über die Liebe oder auch über deren Unmöglichkeit?
Ja. Wahrscheinlich eine Nicht-Liebesgeschichte. Im Kern geht es um die schwierige Vierecks- beziehung zwischen Nora, Karl, Leonie und Jonas. Warum fallen Millennials Beziehungen so schwer? Ich wollte in diesem Buch nicht über „meine Generation” sprechen, das erscheint mir an- maßend und pauschal. Aber natürlich schreibe ich über meine Gegenwart, ein mir bekanntes Umfeld. Und ich glaube, man macht es der Liebe nicht unbedingt leichter, wenn man das Ego noch darüber erhebt. Wir sind viel mit uns selbst beschäftigt. Im eigenen Kopf bleibt man einsam, egal, wie sehr man sich das Verschmelzen wünscht. Vor allem aber: Beziehungen sind keine Bedingung mehr, weder für die Fortplanzung noch für das eigene Überleben. Also stellen wir an Partner vor allem den Anspruch, uns zu bereichern. Das geht sehr gut, wenn man vollgepumpt mit Verliebtheitshormonen im Bett liegt und Game of Thrones schaut, danach wird es immer schwieriger. Schon biologisch. Außerdem sind die Game of Thrones-Produzenten unfassbar langsam, und dann liegt man da – ohne Jon Snow als Ablenkung.

Ist es nicht merkwürdig, dass in einer Zeit, in der alle ständig miteinander sprechen, sich nie- mand wirklich etwas zu sagen hat?
Der Vorwurf, in den sozialen Netzwerken würde es alleine um das permanente Zurschaustellen gehen, stimmt nur auf den ersten Blick und blendet aus, dass über die Chatfunktionen ja dauernd kommuniziert wird. Ich glaube aber, wir sind grundsätzlich ziemlich gut im Kommunizieren, wahrscheinlich besser als unsere Elterngeneration. Ich stimme dem also nicht zu.

Verstehen ältere Menschen Dein Buch und die Konflikte darin?
Ich dachte bis zuletzt, dass ich ein rasend komisches Buch geschrieben hätte. Als meine Mutter das Manuskript gelesen hatte, rief sie an und fragte, ob ich schwer depressiv sei. Einige ältere Leser kaufen sich auch das Buch, in der Erwartung, dass ich ihnen die jungen Leute erkläre; das will und kann ich aber nicht. Eine Generation ist für mich vor allem eine Ansammlung von Individuen im gleichen Alter. Einmal ist bei einer Lesung ein älterer Herr aus dem Publikum aufgestanden und schrie mich an, warum wir denn bitte so depressiv wären, wenn wir doch alles hätten, was man sich wünschen könne. Dabei ist Ennui immer ein Luxusprodukt. Man hadert nur, wenn man Zeit dafür hat. Man zweifelt nur an seinem Lebensentwurf, wenn andere Entwürfe möglich scheinen. Man schlägt sich mit der Liebe herum, wenn es nicht mehr darum geht, sechs Kinder durchzubringen – und zack, pappen wir uns den Sticker beziehungsunfähig auf. Ich finde dieses Label nicht richtig. Eine beendete Beziehung ist nicht unbedingt gescheitert, darüber entscheidet doch die Zeit, die man miteinander verbracht hat und nicht deren Ende. Die Vorstellung, man könne Liebe planen und reflektieren und dann klappt es doch nicht, finde ich übrigens sehr romantisch.

Warum das denn?
Wenn die Liebe wirklich planbar wäre, dann müsste man sich ständig schlecht fühlen. Der Mangel würde immer bei einem selbst liegen, jede beendete Beziehung wäre ein persönliches Scheitern. Aber so ist es eben nicht. Man muss die Zärtlichkeit verteidigen, im Wissen, wie schwierig das ist. Die Liebe lässt sich nicht immer in ein Konzept quetschen, und sie bleibt frei und gefährlich und wild, weil sie sich eben nicht konservieren oder einsperren lässt. Das finde ich schön, wenn ich nicht gerade selbst vor Eifersucht durchdrehe. Also: theoretisch schön.

Der klassische Romantik-Begriff bedeutet ja auch ein Sehnen und keine Erfüllung.
Ja, das denke ich auch. Man muss die Erfüllung andeuten, aber sie muss immer wieder davonflattern können. Liebe ist mehr als der Entschluss zweier Menschen, in Zukunft nicht mehr mit anderen zu schlafen. Die Liebe geht weiter und geht kaputt, und das oft, obwohl beide sich wollten. Diese Unberechenbarkeit gibt es in Freundschaften nicht. Das ist der Grund, warum in Büchern die Liebe als Thema immer noch beliebter ist als Freundschaft.

These: Freundschaften sind die neuen Beziehungen, weil sie länger halten und man sich letztlich intimere Bekenntnisse gibt. Kannst Du damit was anfangen?
Ich glaube, das liegt schlicht daran, dass man an Freundschaften klügere Ansprüche stellt als an Beziehungspartner. Man wünscht sich Loyalität, nicht sexuelle Treue, man wünscht sich Zuverlässigkeit, aber nicht Ausschließlichkeit. Die Verlustangst ist in Freundschaften ausgehebelt, Eifersucht spielt eine deutlich untergeordnetere Rolle. Das macht Freundschaften haltbarer. Außerdem hat man in Beziehungen, zumindest am Anfang, sicherlich eher die Tendenz, die bestmögliche Version seiner selbst zu sein, anstatt sich beim Kotzen die Haare aus dem Gesicht halten zu lassen. Und trotzdem: Wenn man Single ist, verbringt man sehr viel Zeit damit, mit seinen Freunden darüber zu sprechen, wie sich dieser Zustand ändern ließe.

Wann erfüllt Dich Liebe?
Wenn sich meine Eltern an Weihnachten anschreien, ob man nun noch einen Scheißbaum holen soll oder nicht, und ich mit meinem Bruder ins Auto und zu McDonald’s flüchte und KIZ höre. Zum Beispiel.

Gibt es etwas, das für Dich Liebe idealtypisch repräsentiert: einen Moment, ein Bild, einen Gegenstand?
Nein. Die Liebe ist sperrig, unzuverlässig, schmerzvoll und viel zu stolz, um sich in eine Metapher pressen zu lassen.

Bild: Carolin Saage
Beitrag: Ruben Donsbach
Dieser Beitrag erschien in der Fräulein Nr. 19

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