Fitness, Schweiß und Achselhaare: Interview mit Rose Beermann

vor 8 years

Neuerdings gehört es in unserer Gesellschaft zum guten Ton, seinen Körper zu stählen, zu trainieren und zu optimieren. Welche Zukunftsvisionen, Ideologien und Rollenbilder verstecken sich hinter diesem Anspruch? In den Sophiensälen kämpft ab Donnerstag in dem Tanzstück My Body is the Field for Tomorrow’s Battles eine Armee durchtrainierter Frauen um Antworten auf diese Fragen. Wir haben die beeindruckende, junge Choreografin des Stücks Rose Beermann für euch zum Interview gebeten.

Fräulein: Worum geht es in deinem Tanzstück My Body is the Field for Tomorrow’s Battles?
Rose Beermann: Ausgangspunkt für mein neues Stück war das vermehrte Auftauchen von kriegerischen Referenzen in Fitness-Kontexten: AnhängerInnen der australischen Fitness-Ikone Kayla Itsines bezeichnen sich als „Kayla’s Army”. Im Kontext der CrossFit-Methode wird das Bild einer archaischen Gesellschaft beschworen, in der es um das pure Überleben geht. Unsere Körper werden zu Orten, an denen StellvertreterInnen-Kriege ausgefochten werden.

My Body is the Field for Tomorrow’s Battles beschäftigt sich mit den Versprechen aktueller Fitness-Bewegungen, die weit über eine reine Formung des Körpers hinaus gehen. Zentral sind der missionarische Charakter und eine negative Vision des menschlichen Zusammenlebens. Ohne diese Visionen genauer zu benennen, wird das Gefühl vermittelt, sich auf alles Denkbare vorbereiten zu müssen. Warum diese Inhalte so viele Menschen ansprechen und was mit unseren Körpern im Kontext dieses Trainings passiert – das sind die Fragen, mit denen wir uns auf der Bühne beschäftigen.

Sind nur Frauen auf der Bühne und wenn ja, warum?
Ja, ich beschäftige mich in meinen Arbeiten prinzipiell mit Frauenkörpern. Im Zusammenhang mit körperlicher Selbstoptimierung bin ich der Überzeugung, dass Frauen den damit verbundenen gesellschaftlichen Erwartungen stärker ausgesetzt sind als Männer.

Du beschäftigst dich in den meisten deiner Arbeiten mit Selbstoptimierung, Körperbildern und unserer heutigen Fitness-Gesellschaft. Was bedeuten diese Themen für dich?
Körper sind heute form- und gestaltbar. Diese Entwicklung begreife ich auf der einen Seite als eine historische Chance, alternative Vorstellungen von Körpern zu leben. Die entstandenen Möglichkeiten sind jedoch eng mit einer gesellschaftlichen Pflicht zur Selbstoptimierung verbunden. Körper werden zu einem Ort der Arbeit, an den sich ein soziales Wertesystem knüpft:

Übergewichtige Menschen haben nicht genug trainiert, unattraktive Menschen haben sich nicht sorgfältig genug um ihr Aussehen gekümmert, ein durchschnittliches Aussehen basiert auf einer unterlassenen Investition. Abweichungen von körperlichen Idealen werden zu einer unterlassenen Leistung. Diese Verknüpfung finde ich höchst problematisch. Sie ignoriert soziale Unterschiede und führt zu einer Vereinheitlichung unserer Idee eines „schönen Körpers”.

Was hältst du von dem Trend, dass immer mehr Marken wie beispielsweise Zign auf den „Imperfection“-Zug aufspringen? Weiten solche Bilder gesellschaftliche Vorstellungen von Perfektion?
Ich habe den Eindruck, dass diese Kampagnen in erster Linie einer Erweiterung des KonsumentInnen-Kreises dienen. Zumindest funktioniert es bei mir: Ich kann mich mit diesen Bildern stärker identifizieren als mit durchschnittlichen Kampagnen und bin eher bereit, die Produkte zu kaufen. Ich bin jedoch skeptisch, ob sie unsere gesellschaftliche Vorstellung von Perfektion wirklich erweitern.

Vielleicht führen sie zu einer Veränderung unserer Idee eines „schönen Körpers” – was ich wünschenswert fände. Gesellschaftliche Erwartungen, unsere Körper nach Idealen zu „verbessern”, die durch die Werbeindustrie verbreitet werden, bleiben jedoch bestehen. Dieser Mechanismus ist die Grundlage dafür, dass wir die Produkte weiter konsumieren. Und so können sich weiterhin nur diejenigen „schön kaufen”, die die finanziellen Mittel dafür haben.

Fünf Worte, die dein Stück kurz und knackig beschreiben?
Schweißtreibend, minimalistisch, abenteuerlich, körperlich und rhythmisch.

My Body is The Field for Tomorrow’s Battles feiert am Donnerstag, 10. November 2016 um 20 Uhr Premiere in den Sophiensälen in Berlin.

Fotos: Stefanie Kulisch
Beitrag: Alicja Schindler

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