Die Sache mit der Herkunftsfrage

vor 6 years

Smalltalk kann nett sein, oder aber richtig ätzend. Was ihn in jedem Falle zu letzterem macht, ist die ewig gleiche und nervtötende Frage nach der Herkunft.

Mittlerweile antworte ich, sofern ich überhaupt noch Lust habe auf diese Frage zu antworten, mit einer Gegenfrage. Was genau sie oder er denn nun hören möchte, will ich dann wissen. Wo ich wohne, wo ich geboren bin oder aber warum ich so aussehe? Schließlich habe ich die Erfahrung gemacht, dass diese Eingangsfrage nur in den seltensten Fällen auf meinen Geburtsort abzielt. Viele lächeln dann beschämt und drucksen herum. Früher, als ich mich dumm stellte und die Frage noch beantwortete, lachten die meisten und schüttelten verständnislos den Kopf, wenn sie Frankfurt als Antwort bekamen. Ein langgezogenes „Neeeiiin, ich meine wo du wirklich herkommst…“ bekam ich dann zu hören. Als hätte ich diese eigentlich doch so simple Frage nicht richtig verstanden. Dabei sind sie es, die nicht verstehen. Die nicht verstehen, dass es durchaus möglich ist, dass ich wirklich aus Frankfurt stammen kann, weil ich nun mal Deutsche bin. Und die nicht verstehen, dass nicht ich es bin, die nicht wirklich aus Deutschland kommt. Es ist meine Mutter, mein Vater, meine Großmutter, oder sonst wer. Aber nicht ich. Ich komme aus Deutschland.

 

Oft bekomme ich ein vorwurfsvolles „Stell dich nicht so an!“ oder „Man wird ja wohl noch fragen dürfen“ zu hören. Es mag den Anschein machen, ich reagiere bei dieser eigentlich doch gar nicht böse gemeinten Frage über. Tatsache ist aber, dass ich sie schon mein Leben lang höre. Mein Leben lang schon muss ich erklären, warum ich so aussehe, wie ich aussehe und warum ich nicht in das stereotypische Bild einer Deutschen passe. Oder anders formuliert: Mein Leben lang wird mir durch diese Frage mein Deutsch-Sein abgesprochen. Es nervt ungemein und deswegen stelle ich mich sehr wohl an.

Niemand fragt eine weiße Person innerhalb der ersten fünf Minuten eines Gesprächs mit derselben Intention nach ihrer oder seiner Herkunft. Sie können beispielsweise einen weißen isländischen Elternteil haben, eine weiße amerikanische Großmutter oder einen weißen südafrikanischen Großvater. Bei ihnen scheint die Sache mit der Herkunft irgendwie gar nicht mehr so interessant zu sein. Ihnen sieht man ihre „Fremdheit“ auf den ersten Blick nicht an.

 

Aber es gibt auch andere Situationen: Man lernt sich beispielsweise auf einer Party kennen, spricht über gemeinsame Freunde und Bekannte, Wohnort und Mietpreis, Lieblingsdrinks und Lieblingsbars, bla, bla, bla. Man spricht über Kindheit und über Familie. Irgendwann im Laufe des Gesprächs kommt man vielleicht auch auf die Familie im Ausland zu sprechen. Und genau das ist der Moment, in dem man gerne fragen kann.

Der Tenor dieser Zeilen soll nicht sein, Interesse an anderen zu unterdrücken. Diese Zeilen sollen eher einen Denkanstoß darstellen: Es gilt zu hinterfragen, was genau das vermeintliche Interesse geweckt hat. Ist es eine bestimmte Geschichte die vermuten lässt, dass sie oder er aus einer anderen Kultur stammt? Ist es ein Akzent, der auf eine andere Muttersprache hindeutet? Oder ist es einfach das Aussehen, das nicht mit den stereotypischen Vorstellungen einer/ eines Deutschen übereinstimmen. Sollte letzteres der Fall sein, gilt es die Frage zu verkneifen und stattdessen an seinen Denkmustern zu arbeiten.

Davon abgesehen sollte man die erste Antwort auf die Frage nach der Herkunft vielleicht auch einfach akzeptieren. Entweder ist das nun mal die Antwort auf die gestellte Frage, oder aber es ist alles, was die Person von sich preisgeben möchte. So oder so – hinterfragt es bitte nicht.

 

Beitrag: Penelope Dützmann

Bild: Bruno Wolff via unsplash

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