Feministische Botschaften: Folk-Sängerin Stella Donnelly

vor 6 years

Mit ihrem Song “Boys will be Boys” gibt Stella Donnelly Opfern sexualisierter Gewalt eine Stimme und klagt Täter und Mittäter an. In Zeiten von #Metoo erntet die zierliche Sängerin aus Perth dafür viel Lob und wird sogar im Schulunterricht behandelt.

 

Stella Donellys Album Thrush Metal ist brutal und zart zugleich. Die melancholischen Klänge der Folk-Sängerin gehen mit ihren ehrlichen Beobachtungen unserer Zeit unter die Haut und zeigen, was es heißt eine Millenial-Frau in Zeiten von Trump und Tinder zu sein. Fräulein traf sich mit ihr zum Gespräch:

Fräulein: Wenn deine Musik eine Farbe wäre, welche würde es sein?

Stella Donnelly: Meine Musik würde grün sein. Allerdings ein schmutziges grün, beziehungsweise ein natürliches, weil meine Musik sehr natürlich ist. Also wahrscheinlich wäre es etwas zwischen braun und grün. Nicht besonders schön, aber sehr echt.

Schaust du als Musikerin mehr in die Zukunft oder mehr in die Vergangenheit?

Auf jeden Fall in die Vergangenheit. Ehrlich gesagt würde ich sehr gerne einen Song über die Zukunft schreiben. Das habe ich noch nie gemacht. Bisher ging es immer um die Gegenwart oder Vergangenheit in meinen Songs.

In „Mechanical Bull“ singst du über deine negativen Erfahrungen mit Männern aus deiner Zeit als Barkeeperin. Kann Musik frustrierende Erlebnisse heilen?

Ja definitiv. Für mich ist es sehr therapeutisch Musik zu machen. Ich habe an diesem einen Abend sehr lange gearbeitet und war so wütend, wegen der ganzen Sprüche und Anmachen, die man in einer Bar so zu hören bekommt. Ich musste diese Wut irgendwie herauslassen, ohne das Gesetz zu brechen. Zu schreiben hilft mir sehr Ereignisse zu verarbeiten. Ich erinnere mich noch daran, wie emo der Song klang, als ich ihn das erste Mal meiner Mitbewohnerin vorspielte.

Ich habe den Song „Grey“ viele Male gehört und mir gedacht, er passt sehr in diese Millennial-Stimmung, in der man häufig nicht weiß, wer man ist oder was man will – man ist so dazwischen und versucht anderen zu gefallen, anstatt auf sein Herz zu hören.

Ich habe den Song zu einer Zeit geschrieben, in der ich das Gefühl hatte, ich bin nicht gut genug für diese eine Person. Letztendlich war diese Person nicht die richtige für mich. Aber in dem Moment wollte ich diesem Menschen gefallen – „Paint myself in their favourite colours“. Dieses Gefühl bezieht sich aber auf viele Aspekte des Lebens. Wie man sich selbst in der Gesellschaft sieht, oder wenn man Menschen zum ersten Mal trifft und das Gefühl hat sie mögen einen nicht so richtig.

Hast du ein besseres Verständnis von dir selbst durch deine Musik?

Ja. Aber sobald ein Song fertig wird, bin ich manchmal noch verwirrter darüber, wer ich bin und worum es in der Welt geht. Sich selbst zu verstehen ist ein konstanter Prozess – das gilt glaube ich für jeden. Was ich an den Songs, die ich schreibe sehr mag, ist, dass andere mich schneller kennenlernen, weil ich sehr offen über mich selbst bin. Das hat mir geholfen selbstbewusster zu werden und mit liebenswürdigen Menschen in Kontakt zu treten.

Du singst in „Boys will be Boys“ über sexuelle Übergriffe – eine persönliche Geschichte, die sich bei einer deiner Freundinnen zugetragen hat. Der Song kam kurz vor dem Weinstein-Skandal heraus und rutschte schnell in die #Metoo-Debatte. Denkst du der Song hätte fünf Jahre früher, die selber Aufmerksamkeit erreicht?

Ich habe keine Ahnung. Es gibt diesen wunderbaren Song “Not a pretty Girl” von Ani Difranco, der sehr ähnlich zu „Boys will be Boys“ ist. Sie ist eine großartige Künstlerin und sehr bekannt, doch der Text hat damals kaum Aufmerksamkeit bekommen.

„Boys will be Boys“ hat sehr viele Menschen wütend gemacht, was ich gut finde, weil es bedeutet, dass sie angefangen haben darüber nachzudenken ihre eigenen Ansichten zu hinterfragen.

Meinst du Männer oder Frauen?

Beide. Die meiste Kritik habe ich allerdings von Männern bekommen. Es gibt viele, die es nach wie vor nicht gerne sehen, wenn Frauen zu bestimmten Themen den Mund aufmachen. Als Frau in der Musikbranche bin ich das zum Teil gewohnt, aber es hat mich auch auf gute Weise herausgefordert.

Viele Frauen haben sehr mitfühlend auf den Song reagiert. Ich weiß, dass dieses Thema viele Frauen betrifft und es geht mir nicht darum, diese Wunden aufzureißen, weshalb ich immer ein Content Warning gebe, bevor ich den Song spiele. Mir ist der Respekt gegenüber Opfern von sexueller Gewalt sehr wichtig. Also möchte ich ihnen die Möglichkeit geben, falls sie es wünschen, das Konzert kurz zu verlassen.

Es gab natürlich auch sehr schöne Reaktionen von Männern, die mir erzählt haben, dass sie den Song ihren Söhnen vorgespielt haben. Oder Lehrer, die „Boys will be Boys“ in ihrem Unterricht verwenden. Sogar Sexual Assault Ressource Center benutzen den Song, um Opfern zu helfen ihre Schuldgefühle zu überwinden. Diese Dinge machen es wert, diesen Song geschrieben zu haben und ein Fuck auf Trolle oder Hasstiraden zu geben.

Wie hat sich deine Freundin mit der Veröffentlichung dieses Songs gefühlt?

Als ich den Song zum ersten Mal performt habe, kamen ungefähr vier Freundinnen auf mich zu und haben gefragt, ob der Song über sie sei, was zeigt wie verbreitet das Problem noch ist. Die Freundin, über die ich singe, weiß, dass sie gemeint ist. Doch wir beide wissen, dass der Song größer als wir zusammen ist und es mehr ein gesellschaftlicher Text ist, als nur eine persönliche Geschichte. Letztendlich hat der Song ihr sehr geholfen und sie kann mit diesem Song wiederum anderen helfen.

Du wirst nun von vielen als feministische Folk-Sängerin betitelt. Würdest du dich selbst so bezeichnen?

Ich bin Feministin und ich bin Sängerin, aber feministische Sängerin gefällt mir nicht so. Es kommen zwar feministische Ansichten in meinen Lyrics durch, aber ich stelle mich nicht hin und singe „Hey, I’m a Feminist!“ Die meisten meiner Songs sind über schlechte Tinder-Dates oder Liebeskummer – keine Ahnung, ob das Feminismus ist. Leute versuchen häufig weibliche Musiker zu labeln, aber ich versuche das lieber nicht mit mir machen zu lassen.

Hast du weibliche Vorbilder?

Oh, es gibt so viele. Weibliche Musikerinnen wie, Angel Olsen, Jenny Hval oder Cerys Metthews. Aber auch meine 87-jährige Großmutter aus Wales, welche mich ständig dazu bringt Dinge zu hinterfragen. Auf der einen Seite hat sie diese konservativeren Ansichten über Miniröcke zum Beispiel, auf der anderen Seite erzählt sie mir Geschichten, wie sie als Krankenschwester von einem Arzt belästigt wurde. Außerdem inspirieren mich viele tolle Politikerinnen in Australien. Ich schaue sehr zu älteren Frauen und ihren Geschichten auf – zu dem was sie getan haben, um für uns etwas zu verändern.

Interview: Miriam 

Bilder: PR

 

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