Lasst die Frauen entscheiden!

vor 7 years

Die Geschichte geht so: Whitney Wolfe, co-Gründerin von Tinder, verlässt das Unternehmen, weil sie sich aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt fühlt. Ein Gericht gibt Wolfe Recht und spricht ihr eine Million Dollar Schadensersatz zu. Anstatt auf Weltreise zu gehen und das Leben zu genießen sammelt die in Salt Lake City, Utah geborene Unternehmerin ehemalige Wegbegleiter um sich und gründet drei Monate später die Dating-App Bumble, bei der es zwischen klassischen heterosexuellen „matches“ an den Frauen liegt, die Initiative zu ergreifen. Bumble wird sogleich als feministische Antwort auf Tinder und co. gefeiert. 2017 wählt das renommierte Wirtschaftsmagazin Forbes Whitney Wolfe zu einer von weltweit 30 Entscheidungsträgerinnen unter 30 Jahren. Klingt fast zu gut um wahr zu sein? Ist aber so. Fräulein hat sie in Berlin getroffen.

Wie kommt man auf die Idee, eine feministische Dating App zu starten?

Ich dachte nie: „Wie mache ich eine feministische App?“ Das war eher eine Zuschreibung der Medien. So wie ich Feminismus begreife, geht es einfach um die Gleichberechtigung von Männern und Frauen. Aber ich bin glücklich darüber, wie die Leute mein Produkt wahrnehmen, denn mir ging es immer darum etwas zu verändern. Allerdings wurde ich auch von vielen Frauen kritisiert und gefragt ob ich verrückt sei. Sie würden es mögen, wenn der Mann die Kontrolle hat. Das sind dann dieselben Frauen, die weinen, wenn ihr Ehemann sie verlässt und sie hilflos zurücklässt. Es ist fast als wollten sie nicht einsehen, dass sie sich selbst in diese unterlegene Position gebracht haben.

Wünschst du dir manchmal, dass du schon früher für solche Machtstrukturen sensibilisiert worden wärest?

Auf jeden Fall. Hätte ich den Feminismus früher verstanden und wirklich wertgeschätzt, wären viele meiner Beziehungen anders verlaufen. Damit meine ich nicht nur romantische Beziehungen, sondern jegliche Interaktion zwischen Mann und Frau. Ich habe mich selbst immer geringer geschätzt und dadurch untergeordnet.

Es heißt, Frauen fällt es schwerer offen auszusprechen, in was sie gut sind …

Oder eine E-Mail an den Arbeitgeber zu schreiben, in der steht: „Ich brauche jetzt 50.000 Dollar mehr im Jahr, meine Fähigkeiten werdet ihr nicht noch mal finden.“ Männer haben damit kein Problem. Bei Bumble hat mich noch nie eine Mitarbeiterin nach einer Gehaltserhöhung gefragt, nur die Männer. Das ist doch verrückt. Ich versuche sie regelrecht dazu zu ermutigen, die Initiative zu ergreifen.

Wann hast du im Berufsleben zum ersten Mal Ablehnung erfahren?

Ich habe mich mal als Jared Letos persönliche Assistentin beworben aber nie ein Feedback bekommen (lacht).

Wie bist du damit umgegangen?

Ich habe nicht an meinem Können gezweifelt, sondern daran ob ich hübsch genug bin oder ob ich das richtige Outfit ausgewählt habe. Da bin ich super unsicher. 

Wie war es in einem eher männlich geprägten Umfeld bei Tinder zu arbeiten?

Ich habe angefangen, mich selbst wie ein Mann zu verhalten. Wenn dort schlecht über eine Frau geredet wurde, habe ich einfach mitgemacht. Und das nur, weil ich Angst hatte, dass sie auch über mich so sprechen könnten. Heute schäme ich mich dafür, aber ich glaube jede Frau kennt die Situation.

Ein wichtiger Schritt besteht also darin, sich seiner eigenen Rolle bewusst zu werden? 

Ja, ich glaube Erfolg hat sehr viel mit Selbstwahrnehmung zu tun. Mit der Selbstwahrnehmung kommt auch die Verantwortung. Und es ist okay, wenn man nicht von Anfang an alles richtig macht. Hauptsache man ist bereit dazuzulernen und man akzeptiert nicht einfach, dass gewisse Dinge ungerecht sind.

Ich habe gelesen, dass du ursprünglich eine andere App mit dem Namen Merci launchen wolltest? 

Genau. Eine App in der junge Frauen dazu aufgerufen werden, sich gegenseitig Komplimente zu machen und höflich und mitfühlend miteinander umzugehen.

Inwiefern ist das bei Bumble mit eingeflossen? 

Es ist sehr ähnlich, nur dass es jetzt um Dating geht. Frauen sollen ermutigt und Männern soll der Druck genommen werden.

Wie gehst du mit männlichen Mitarbeitern um?

Manchmal erwische ich mich dabei, dass ich Männern zu etwas gratuliere, was eigentlich kein Lob verdient hat. Es ist wohl etwas, wozu ich erzogen wurde. Das ist bizarr. Es gibt einiges, was ich noch lernen muss.

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