“Luxus ist, wenn alle davon profitieren”

vor 6 years

Sie ist eine Exotin in ihrer Branche – Guya Merkle wird nicht nur sehr jung Geschäftsführerin des Schmucklabels Vieri, sondern möchte gleich noch das gesamte Goldminengeschäft umkrempeln.

Guya wächst in einer Welt voller Bling Bling auf – mit gerade mal 21 Jahren bekommt sie das Schmuckunternehmen ihres verstorbenen Vaters übergeben und merkt schnell: Nicht alles was glänzt ist auch (gutes) Gold. Guya ist gerade mitten im Studium (Kommunikationswissenschaften) und ihr schwirrt eigentlich alles andere im Kopf, als in den Schweizer Bergen ein Goldgeschäft mit fünf Mitarbeitern zu führen. „Im Winter ist so ein Bergdorf ja ganz schön, aber da leben, war nichts für mich, ohnehin wollte ich das Geschäft eigentlich nie übernehmen – wahrscheinlich aus jugendlicher Rebellion – also war ich erst einmal todunglücklich.“

Guya überlegte, wie sie sich in dem Schmuckgeschäft verwirklichen kann, denn den ganzen Stolz ihres Vaters einfach so aufgeben konnte sie auch nicht. Kurzum fliegt sie nach London ans Gemological Institute of America und belegt einige Kurse um mehr über die Branche und Rohstoffe zu lernen.

„Durch diverse Hollywoodfilme weiß man ja, dass Diamanten zu sehr menschenunwürdigen Bedingungen gewonnen werden, doch in Punkto Gold war mir ehrlich gesagt nicht so bewusst, dass es auch hier schwerwiegende Probleme bei der Förderung gibt. Auch auf dem GIA wurde dazu nicht viel gesagt. Allerdings wurde uns ein Bild von einer Goldmine gezeigt, welches so gar nicht mit meiner Vorstellung vom luxuriösen Gold übereinstimmte. Da wurde mir bewusst, dass wir uns und das schließt die gesamte Branche ein, bislang nicht viel Gedanken gemacht haben, wo das Gold, das wir verarbeiten eigentlich herkommt. Wir kaufen das Gold halt hier in Deutschland ein und fertig.“ Guya konnte selbst bei Recherchen nicht allzu viel finden – stolpert über Begriffe wie Quecksilber, Kindersoldaten und schlechte Bezahlung, doch es bleibt unkonkret.

Als sie dann auf eine Fairtrade-Mine in Peru stößt, ruft sie kurzer Hand an und setzt sich in den Flieger um sich das Ganze anzuschauen. Angekommen werden ihr auch herkömmliche Goldminen gezeigt und die Umstände schockierten sie. „Kinder, die barfuß durch Quecksilber stapfen – der Geruch ist so beißend, so dass meine Übersetzerin sogar ohnmächtig wurde. Auf 4000 Meter gibt es dort auch nicht mal eben eine Krankenstation oder ähnliches.” Die Menschen dort sterben durch die Arbeit in der Mine früher als normal, Guya sah Familien zerbrechen und da gibt es niemanden der das auffangen kann, wie hier in Deutschland. Unter diesen Bedingungen arbeiten weltweit 20 Millionen Menschen. Zum Vergleich: In der Fairtrade-Mine arbeiteten keine Kinder, es gab Schutzkleidung, sogar der Müll wurde getrennt. Guya war sofort klar, wenn sie weiter Schmuck machen möchte, dann nur mit Gold aus solch einer Miene.

Dass in Sotrami (Peru) weit und breit nur eine Fairtrade-Mine ist, hängt damit zusammen, dass die Umstellung sehr aufwendig und die Produktionskette von Gold sehr schwammig ist. „Da hängen enorme Machtstrukturen hinter, die kann man nicht mal eben so nach europäischen Maßstäben umkrempeln,“ erzählt Guya. Fairtrade konnte in den letzten sechs Jahre ganze drei Minen umstellen – dieser Impact ist zwar schön, doch läuft in Guyas Augen viel zu langsam.

„Ohnehin sei das häufigste Problem, dass sich irgendwelche Menschen von ihren Schreibtischen in Europa aus überlegen, was für Minenarbeiter in Afrika oder Südamerika am Besten sei, dabei haben die Menschen vor Ort schon ziemlich konkrete Ideen, man muss nur mit ihnen reden,” Guya spricht da aus Erfahrung, denn ihr erster Versuch zu helfen floppte.

 

Zurück in Deutschland und voller Motivation im Minengeschäft etwas bewegen zu wollen, gründet Guya die Earthbeat Foundation in Zürich, um Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken, aber vor allem vor Ort für bessere Arbeitsbedingungen zu sorgen. Kurzum startete sie eine Kampagne und konnte mit einer NGO in Uganda 20.000 € sammeln, um davon Schutzkleidung für die Minenarbeiter zu kaufen. Voller Stolz flog Guya mit ihrem Team nach Uganda – doch vor Ort angekommen erweist die gutgemeinte Idee sich als unbequemes Etwas für die Minenarbeiter. Die Kleidung, die ihr Leben schützen sollte, erschien ihnen lediglich als unnütze Last und wurde kurzer Hand wieder ausgezogen.

„Die Menschen kämpfen dort ums nackte Überleben, die Gesundheit steht da ganz hinten an."

Bildung ist wie immer der Schlüssel, weshalb Guya heute viel mehr noch in die Communities reingeht und mit den Menschen vor Ort spricht, um Workshops anzubieten, in denen sie zunächst richtig geschult werden, um ein Bewusstsein für Risiken und Nebenwirkungen zu schaffen. Darüber hinaus möchte Guya ihnen neue Perspektiven aufzeigen um viele aus dem Mining ganz rauszuholen: „Es ist ohnehin so viel Gold im Umlauf, welches man immer wieder verwenden kann.“

Deshalb ist Guyas weiterer Ansatz, neben dem Schaffen von fairen Arbeitsbedingungen im Mining, auf das Recycling von Gold zu setzen – sie nennt es Urban Mining. „Am schönsten wäre es, Minen schließen zu können, die Böden zu dekontaminieren und die Menschen vor Ort selbstbestimmt in neue Berufe zu bringen.“ Dazu waren viele Gespräche mit den Communities vor Ort notwendig, um die Bedürfnisse der Menschen zu verstehen, denn besonders dieser Gambling-Aspekt im Goldgeschäft spielt für die männlichen Minenarbeiter eine große Rolle – morgen kommt der große Fund! In Zusammenarbeit mit einer NGO in Uganda kam dann die Idee, eine  einjährige Ausbildung zum Imker anzubieten und die Menschen raus aus den körperlichen Strapazen des Minengeschäfts zu holen. 89 Menschen lernen jetzt, wie man mit Bienen umgeht, den Honig erntet und ihn schließlich vermarktet. Im Februar 2018 startet die erste Honig-Ernte.

Seit fast zehn Jahren ist Guya nun in der Branche und es bleibt ein schwieriges Unterfangen etwas zu bewegen. Das Geschäft mit dem Gold ist lukrativ und es gibt zu viele Akteure, die daran interessiert sind. Die Bedingungen, unter denen Gold oder Edelsteine gefördert werden, werden in der Branche nach wie vor lieber nicht thematisiert. Auch hat Guya den gesamten Kundenstamm ihres Vaters verloren, doch das stört sie nicht, denn ihr ist Fairness wichtiger als Profit. “Luxus ist, wenn alle davon profitieren,” sagt Guya stolz. Heute spricht Vieri die moderne, selbstbewusste Frau, mit einem Sinn für Nachhaltigkeit, an. Guya beweist: Luxus und Vernunft schließen sich nicht aus.

 

Beitrag: Miriam Galler

Bilder: PR

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